Aneti

12. Oktober 2012

Ich habe noch eine lustige Geschichte zu erzählen, die sich genau so in Arusha im September 2011 ereignete. Mein Mitfreiwilliger David und ich sind in unseren ersten Ferien in den Norden Tansanias gefahren. Vorher habe ich noch einige Leute gefragt, ob sie mir denn nicht einen Kontakt hätten. Da meinte Anse, der neben meiner Arbeitsstelle wohnt, dass er eine Nummer von einem „guten Menschen“ in A-Town (Arusha auf Cool-Kiswahili) hätte. Eine meiner Vorgängerinnen hatte Anse beigebracht, was „guter Mensch“ und „schlechter Mensch“ auf Deutsch heißt und das erzählte er mir ab und zu. Wie auch immer, dieser „gute Mensch“ in A-Town war eine Frau, was mich zusätzlich beruhigte und ich wirklich Lust hatte mich mit ihr zu treffen und mir von ihr ein bisschen Arusha zeigen zu lassen. Das war der Plan. Also ich speicherte die Nummer von Aneti in mein Handy ein. Anse schien ihr auch schon bescheid gesagt zu haben.

So also sind wir mit dieser Nummer im Gepäck losgefahren und ziemlich müde in einem etwas heruntergekommenen Hosteli müde eingekehrt. An diesem Abend erinnerte saß ich auf dem Dach des Hostelis und erinnerte mich an Anetis Nummer in meinem Handy.

Ich rief sie sogleich mit klopfendem Herzen an und bemühte mich auf verständliches Kiswahili. Bevor ich ihr genau sagen konnte, wer ich eigentlich bin und was ich will, brach das Gespräch ab. Sie antwortete mir per SMS und trotz aller Bemühungen auf English: „Hans already told me about you and I was waiting for your call.“

Per SMS – ich auf Kiswahili, sie auf Englisch – machten wir einen Zeit- und Treffpunkt aus, für den Morgen des nächsten Tages vor unserem Hosteli.

Da David und ich schon viel früher wach waren am nächsten Morgen, zogen wir noch eine Weile alleine durch Arusha um dann umzukehren und uns mit Aneti zu treffen. Wir kamen eine halbe Stunde zu spät und dachten, sie dort anzutreffen. So rief ich sie an. Diesmal endlich auf Kiswahili machte sie mir verständlich, dass sie noch auf dem Weg sei aber sofort da wäre. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das tansanische „Sofort“ noch nicht einschätzen. „Sasa hivi“ ist sehr dehnbar. Es kann heißen „nach einer Minute“ aber auch nach „eine halben Stunde“ oder „zwei Stunden“.

Wir vertrieben uns die Zeit damit den Empfangsmann des Hotelis zu zuquatschen, da sich dieser freute mit uns auf Kiswahili zu unterhalten. Da sah ich vor dem Hosteli eine junge Frau, die etwas suchend herumstand. Kurzerhand beschloss ich sie anzusprechen und sie zu fragen, wie sie hieß. Sie meinte, sie hieß Aneti und würde auf ihre Freundin warten. Ich meinte ich wäre Franzi und ob sie uns nicht ein bisschen Arusha zeigen könnte. Sie meinte „Ja!“ und wollte gleich loslaufen. Da musste ich sie bremsen und ihr sagen, dass ich in Begleitung bin. Es wunderte mich ein bisschen, dass sie das nicht wusste. Wäre ich Anse hätte ich ihr das wohl erzählt.

Sie stellte sich David vor und wir liefen los. Aneti redete ununterbrochen, wie ein Wasserfall auf Kiswahili. Ich verstand ihre Erzählungen nur bruchstückhaft. Ich erfuhr, dass ihr Bruder heirate und sie noch ein Geschenk für seine zukünftige Frau bräuchte. Ich fragte sie auch Fragen, was sie arbeite, wo sie lebte, was sie sonst so machte und so weiter. Erhielt auch überall eine Antwort. Aneti schien sich sehr zu freuen, mit jemandem reden zu können.

Auf der Straße begegneten wir ihren Verwandten. Ich hatte das Gefühl, sie ist mit ganz Arusha verwandt, überall standen sie, ihre Schwestern und Brüder und Tanten und Onkels. Und alle mussten uns begrüßen, wir wurden vorgestellt und durften kurz miteinander reden. Aneti schleuste uns souverän durch die Menschenmassen. David war schon etwas genervt von den Verwandten und dem Menschengedränge, sodass wir irgendwie doch nichts von Arusha zu sehen schienen. An einer Duka für Schuhe tauschte Aneti Kinderstöckelschuhe mit rosa Schleife gegen genau die gleichen mit goldener Schleife.

Dort traf Aneti einen Bruder und dessen Freundin – auch eine Deutsche, die David und mich freundlich angrinste und dann auch grüßte. Sie hätte ihren Freund im Urlaub kennengelernt und jetzt wäre sie wiedergekommen um ihn zu besuchen.

Da klingelte mein Handy und Anetis Nummer rief mich an. Ich schaute mich um, Aneti stand doch direkt neben mir… So sagte ich ihr, ohne ranzugehen, sie solle auflegen, sie würde mich versehentlich anrufen. Ihr Handy war kaputt und man sieht den Bildschirm nur halb aber sie meinte, es würde gar nicht klingeln. „Geh ran, geh ran!“, meinte sie.

Also ging ich ran. Alle sahen mich gespannt an. Eine weibliche Stimme fragte mich, wo wir denn seien. Ich versuchte es ihr so grob zu erklären und dann gab ich das Handy an Aneti weiter, sie konnte sicherlich präziser sagen, wo wir waren und was eigentlich los ist. Aneti und Aneti verstanden sich dann auch…

Erst in diesem Augenblick wurde mir klar, dass wir die ganze Zeit über zwei Stunden mit der falschen Aneti durch die Straßen gezogen sind! Wie kann denn so ein Missverständnis geschehen? Ich war sehr fasziniert von der ganzen Geschichte und alle mussten wir erst mal lauthals loslachen!

Die Deutsche meinte: „Solche Sachen können auch nur hier passieren, aber ihr seid an eine sehr nette Aneti geraten!“

Da hatte sie Recht und ich war ja auch nicht so unzufrieden mit ihr. Mir tat nur die andere Aneti leid, die jetzt zwei Stunden nach uns gesucht hatte. Wir bzw. Aneti mit Aneti machten aus, dass wir uns in einem Hoteli, wo man essen kann treffen, da wir alle hungrig waren. So setzen sich David, ich und die falschen Aneti, die uns weiterhin gerne begleitete hin und bestellten Chipsi Mayai und Cola.

Die richtige Aneti rief noch einige Male an und ich gab das Handy immer wieder an die falsche Aneti weiter. Ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen, aber ich konnte gar nichts machen…

Als Aneti es endlich geschafft hatte, luden wir sie und ihre Schwester auch zum essen ein und zogen noch mal los. Die richtige Aneti redete gerne Englisch mit David und zeigte uns einen Touristenmarkt auf den wir eigentlich gar keine Lust hatten.

Relativ früh trennten sich dann unsere Wege auch wieder nur die falsche Aneti blieb uns den ganzen Tag erhalten und begleitete uns überall hin.